Seit Mittwoch, 1. September ist Siegfried Wolf neuer Hausherr im früheren MAN-Werk in Steyr. Unter dem neuen Namen "Steyr Automotive" wolle er "Vollgas geben" bei der Entwicklung von elektrischen Nutzfahrzeugen und anderen alternativen Antrieben, sagt er im Interview mit Life Radio-Reporter Daniel Kortschak (siehe unten). Gleichzeitig soll in Steyr noch bis 2023 die Produktion von konventionell angetriebenen leichten und mittelschweren LKW für MAN weiterlaufen.
Doch die Realität in Steyr schaut gerade ganz anders aus: Die Produktion steht still, die Werkshallen sind leer, die Mitarbeiter sitzen zuhause. Steyr Automotive hat für die Belegschaft Kurzarbeit beantragt. Der Grund: Es fehlen für die Fertigung wichtige Elektronikbauteile, die wegen der Corona-Krise nicht rechtzeitig aus Asien geliefert werden. "Wir können nur das produzieren, wofür wir genügend Teile zur Verfügung haben. Wenn Sie bei uns über das Gelände gehen, sehen sie über 1000 halbfertige Fahrzeuge, die wir komplettieren müssen. Es ist bitter bei vollen Auftragsbüchern nicht arbeiten zu können", sagt Wolf bei einem Lokalaugenschein im Werk in Steyr.
Steyr Automotive ist nicht der einzige Industriebetrieb in Oberösterreich, der unter dem Teilemangel leidet. Auch im BMW-Motorenwerk in Steyr sind die Beschäftigten deshalb dieser Tage in Kurzarbeit geschickt worden. Und es werden weitere Betriebe folgen, sagt Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP). Betroffen ist nicht nur die Autoindustrie: Auch bei Haushaltsgeräten und haustechnischen Installationen gehen Handwerk und Handel die Ersatzteile aus. Konsumenten müssen deshalb mitunter lange auf bestellte Produkte und fällige Reparaturen warten.
Elektronik soll wieder in Europa produziert werden
Es sei wichtig, wieder vermehrt elektronische Bauteile in Europa beziehungsweise in Oberösterreich herzustellen, sagt Landesrat Achleitner im Gespräch mit Life Radio-Redakteur Daniel Kortschak: "Ich glaube, dass Corona insgesamt gezeigt hat, dass die Abhängigkeiten von ausländischer Produktion schon zu weit gegangen sind. Selbstverständlich sind wir global vernetzt. Oberösterreich verdient zwei von drei Euros durch den Export, das ist klar. Aber im europäischen Kontext muss man schon schauen, dass wir nicht bei jedem kleinsten Teil von Südostasien abhängig sind. Das machen wir schon bei den Batterien, wo wir gerade eine europäische Fertigung aufbauen. Das Gleiche brauchen wir auch bei den Halbleitern."
Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) ist der Ansicht, dass die weitgehende Verlagerung der Fertigung von elektronischen Bauteilen nach Asien nicht besonders klug war: "Es ist für den Standort Europa insgesamt nicht von Vorteil, dass wir ausschließlich von einem Erdteil abhängig sind, wo diese Komponenten herkommen. Da muss man sicher sehr rasch daraus lernen."
Unterstützung von Land und Bund für Steyr Automotive
Siegfried Wolf, der neue Hausherr im LKW-Werk in Steyr, hofft, dass die Versorgung mit Bauteilen aus Asien bald wieder anläuft und er im Oktober seine Mitarbeiter wieder aus der Kurzarbeit holen kann. Damit das doch noch etwas wird mit dem "Vollgas geben" bei der Entwicklung und Produktion von neuen, klimafreundlicheren Nutzfahrzeugen Made in Oberösterreich.
Auch das Land Oberösterreich sowie der Bund versprechen dabei ihre Unterstützung. Gemeinsam mit Steyr Automotive wollen sie eine Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft gründen. Ihre Arbeit aufnehmen kann sie aber frühestens Ende 2022, Anfang 2023. Denn die staatlichen Beihilfen für Wolfs neues Unternehmen müssen erst von der Europäischen Kommission genehmigt werden.
Daniel Kortschak