Corona und kein Ende in Sicht: "Wir sind seit März 2020 in einem Dauer-Krisenzustand", sagt Martin Schmid von der Krisenhilfe Oberösterreich. "Das macht etwas mit dem menschlichen Organismus. Das macht etwas mit der menschlichen Psyche. Das ist auf Dauer nicht verkraftbar." Vor allem Jugendliche, ältere Menschen und Singles leiden immer mehr unter der erzwungenen Einschränkung von sozialen Kontakten, der Absage von Veranstaltungen und dem inzwischen vierten Lockdown mit der Schließung von Handel, Gastronomie sowie Sport- und Kulturstätten.
Nach 20 Monaten Pandemie äußern jetzt auch immer mehr Oberösterreicher Selbstmord-Gedanken, warnt die Krisenhilfe. Die Menschen verfallen in Depressionen, fühlen sich ausgegrenzt und nicht mehr wertgeschätzt. Manche haben auch das Gefühl, anderen mit ihren Problemen zur Last zu fallen und wollen deshalb ihrem Leben ein Ende setzen. Bei immer mehr Menschen macht sich ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit breit, sagt Krisenhilfe-Mitarbeiter Schmid: "Wir haben den zweiten Pandemie-Winter. Im Sommer hat jeder gehofft, dass dieser Winter ein normaler wird. Er ist es nicht geworden. Deshalb sind wir jetzt mit vermehrten Belastungen konfrontiert. Und mit Menschen, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Suizidgedanken entwickeln."
Damit es nicht so weit kommt, ist bei psychischen Krisen professionelle Hilfe wichtig. Die Krisenhilfe Oberösterreich ist jeden Tag rund um die Uhr unter der Telefonnummer 0732 / 2177 erreichbar. Unter www.krisenhilfeooe.at gibt's auch Online-Beratung. Bei ganz akuten pschischen Notfällen oder konkret geäußerten Selbsmordabsichten sollte allerdings immer auch die Rettung unter Notruf 144 sowie gegebenenfalls die Polizei unter Notruf 133 verständigt werden.
Viele Berufsgruppen unter besonderem Druck
Ganz besonders belastet in der Corona-Krise sind all jene, die die zunehmende Erschöpfung und den steigenden Corona-Frust jeden Tag an vorderster Front mitbekommen: Gesundheitspersonal, Lehrer, Kindergärtnerinnen oder etwa Verkäuferinnen. Sie werden immer öfter beschimpft, beleidigt, bespuckt oder sogar geschlagen. "Wir hören es täglich: Besonders Mitarbeiterinnen aus den Gesundheitsberufen, aber auch aus dem pädagogischen Bereich sind einfach an der Belastungsgrenze angelangt. Und oft müssen sie noch über diese Grenze hinausgehen, weil es einfach nicht anders geht", sagt die Leiterin der Krisenhilfe Oberösterreich, Sonja Hörmanseder.
Menschen, die die Auswirkungen der Corona-Pandemie jeden Tag hautnah miterleben und dabei permanent unter körperlichem und psychischem Druck stehen, sind besonders anfällig für seelische Krisen. Sie sollten sich deshalb unbedingt rechtzeitig professionelle Hilfe suchen, zum Beispiel bei der Krisenhilfe. Deren Mitarbeiter helfen bei besonders traumatischen Ereignissen auch direkt vor Ort, etwa am Arbeitsplatz oder direkt in betroffenen Familien.
Daniel Kortschak